Mitten im Herzen Europas wächst rund um die Grenzen von Österreich, Tschechien, der Slowakei und Ungarn ein besonderer Lebens- und Wirtschaftsraum heran. Dieser Zusammenschluss, bekannt als Centrope, ist längst mehr als ein geografisches Projekt. Hier formen intensiver Austausch, komplementäre Stärken und vielfältige Forschungslandschaften einen Schmelztiegel für Innovation, Forschung und wirtschaftliches Wachstum. Rund 2.000 Forschungseinrichtungen kümmern sich grenzüberschreitend um Ideen, Technologien und Produkte, die weit über regionale Interessen hinaus aufhorchen lassen.
Forschungshochburg Centrope: Vielfalt und Dichte als Standortvorteil
Drei Städte stechen im Zentrum der Forschungslandschaft von Centrope hervor: Wien, Bratislava und Brno. Die Bedeutung dieser urbanen Knotenpunkte ergibt sich nicht nur durch ihre Größe, sondern vor allem durch ihre enorme Konzentration an Wissenschaftlern, Laboren und Innovationszentren. Wien und Bratislava beschäftigen jeweils fast die Hälfte des gesamten Forschungspersonals ihrer Länder. Gemeinsam lenken diese Städte die Forschungsaktivitäten des Vierländerecks und schaffen Bedingungen, in denen Forscherinnen und Forscher im internationalen Wettbewerb mithalten.
So glänzt die Region bei den Humanressourcen im unmittelbaren Forschungsbereich und schneidet europaweit überdurchschnittlich ab. Egal ob an Hochschulen, in außeruniversitären Einrichtungen oder im Hightech-Sektor, die Anzahl qualifizierter Köpfe bildet eine entscheidende Grundlage für Innovationsprozesse.
Die städtische Infrastruktur und die Investitionen in Wissenschaft und Entwicklung führen zudem dazu, dass sich auch im direkten Umland kleinere Cluster herausbilden, die von der Nähe zu den Metropolen profitieren. Davon profitieren beispielsweise Start-ups und etablierte Unternehmen, die mit dem vorhandenen Know-how eigene Projekte voranbringen.
Stärkefelder als Ausgangspunkt für Kooperation
In Sachen Spezialisierung setzt Centrope auf ein kluges Zusammenspiel verschiedener Forschungsrichtungen und Branchen. Wien hat sich insbesondere auf Life Sciences, Materialwissenschaften und Informations- und Kommunikationstechnologien konzentriert. Damit einher gehen enorme Investitionen in hochwertige Laborlandschaften, spezialisierte Ausbildungsgänge und ein enges Netzwerk aus universitären sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
Nicht weit entfernt, in Brno, orientiert sich das Engagement zunehmend an ähnlichen Schwerpunkten. Das dortige CEITEC überzeugt durch große Infrastruktur und interdisziplinäre Projekte. Die Masaryk Universität, ein Vorreiter in der Kooperation zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen, hat auf ihrem Campus eigens ein Biotechnologiezentrum ins Leben gerufen.
Solche Projekte ermöglichen forschungsintensive Unternehmen unkomplizierten Zugang zu technischen Ressourcen und wissenschaftlicher Expertise. Es ist ein Konzept, das sowohl die regionale Dynamik als auch die überregionale Zusammenarbeit stärkt.
Die Zusammenarbeit erfolgt dabei nicht zufällig, sondern wird gezielt entlang sogenannter funktionaler Achsen organisiert. Wo die Stärke des einen lokalen Partners auf die Spezialisierung des anderen trifft, entstehen Synergien, die neue Technologien und innovative Anwendungen begünstigen. Sowohl Brno als auch Wien bauen damit Brücken zwischen Disziplinen und Märkten und erleichtern den Austausch von Wissen.
Strukturen für den Technologietransfer: Zusammenarbeit als Triebfeder
Zentrale Akteure der Centrope-Kooperation haben früh erkannt, dass Innovationsprozesse durch Kommunikation und Austausch erfolgreicher verlaufen. Um die Vernetzung der Forschungseinrichtungen mit der Wirtschaft zu stärken, wurden professionelle Netzwerke etabliert. Eines der wichtigsten Instrumente ist das centrope_tt Beraternetzwerk, das von der Wirtschaftsagentur ecoplus gemeinsam mit dem Südmährischen Innovationszentrum und verschiedenen Partnern ins Leben gerufen wurde.
Das Netzwerk hat die Aufgabe, Unternehmen den Zugang zu Forschung, Entwicklung und Beratung in allen vier Ländern zu vermitteln. Dazu wurden sämtliche Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen in einer Datenbank erfasst und nach ihren Schwerpunkten analysiert. Die daraus entstandene interaktive Karte erleichtert als zentrales Informationsportal den Kontakt zwischen Forschung und Wirtschaft und schafft einen Überblick über die verfügbaren Kompetenzen im gesamten Raum Centrope.
Darüber hinaus spielt der Technologietransfer eine entscheidende Rolle für die Verwertung wissenschaftlicher Ergebnisse. Bedingungen und Instrumente, die den Transfer von Patenten, Know-how und Erfindungen in die Praxis unterstützen, gelten als Gradmesser für die Innovationskraft einer Region. Neben Beratungsangeboten und Netzwerken helfen grenzüberschreitende Förderprogramme, bestehende Formate zu erweitern und den Austausch zu beschleunigen.
Herausforderungen: Wege durch das Dickicht der Systeme
Trotz der beeindruckenden Potenziale und Initiativen wird die Weiterentwicklung der Region immer wieder durch strukturelle Hürden ausgebremst. Auffällig ist die nach wie vor geringe Integration der nationalen Innovationssysteme, vor allem in und um Österreich. In vielen Fällen häufen sich Doppelstrukturen und Kompetenzüberschneidungen, die einer Gesamtstrategie im Wege stehen.
Ein weiteres Hemmnis liegt in der mangelnden Koordination regionaler und nationaler Innovationspolitiken. Gerade auf überregionaler Ebene bleiben viele Projekte und Fördermaßnahmen noch voneinander isoliert. In den offiziellen Innovationsstrategien der beteiligten Länder taucht der Wille zu mehr Kooperation inzwischen auf, aber in der Praxis dominiert noch der Blick auf nationale Ziele.
Die geringe Zahl gemeinsamer Forschungsprojekte spricht eine deutliche Sprache. Daten aus Netzwerkanalysen zeigen, dass sich Wissenschaftler öfter nach Westeuropa als ins Nachbarland orientieren. Gemeinsame Patentanmeldungen oder Beteiligungen an europäischen Forschungsprogrammen bleiben bislang seltene Ausnahmen.
Gründe dafür sind unter anderem unterschiedliche Fördersysteme, bürokratische Hürden und fehlende Ansprechpartner für grenzüberschreitende Initiativen. Bis alle Akteure an einem Strang ziehen, ist weiterhin Pioniergeist gefragt.
Erfolgsstrategien: Von starken Institutionen und neuen Allianzen
Eine der zentralen Empfehlungen für die Innovationsregion Centrope lautet, vorhandene Stärken gezielt als Hebel für neue Kooperationen zu nutzen. Insbesondere Wien hat mit seinen modernen Universitäten und internationalen Forschungszentren eine Rolle als Motor inne. Durch die Verbindung mit Partnern in Brno, Bratislava und darüber hinaus eröffnet sich die Chance, wissenschaftliche Grundlagenforschung in anwendungsnahe Projekte zu überführen.
Erfolgversprechend ist die Zusammenarbeit dort, wo komplementäre Profile zusammentreffen – also immer dann, wenn spezialisierte Institutionen gemeinsam an Themen arbeiten, die sonst einzelstaatlich kaum zu managen wären. Ein weiteres Schlüsselelement ist die Stärkung der Forschungseinrichtungen selbst. Durch gezielte Förderung, weitsichtige Personalentwicklung und bessere Vernetzung im internationalen Kontext werden diese Institutionen anschlussfähig und attraktiv für Kooperationen jeder Größenordnung.
Eine gemeinsame Internationalisierungsstrategie erhöht die Sichtbarkeit des Centrope-Raums nach außen und lenkt die Aufmerksamkeit auf vorhandene Forschungsressourcen. Nicht zu vergessen sind dabei die vielfältigen Förderprogramme der EU, die als wichtiger Katalysator für neue Projekte funktionieren. Zahlreiche Initiativen dienen bereits heute als Anschub für länderübergreifende Allianzen. Wer weiter wachsen will, nutzt die Erfahrungen aus diesen Programmen, baut Hürden ab und etabliert nachhaltige Strukturen.
Ausblick: Zukunft neu denken im Vierländereck
Die Centrope-Region steht längst nicht mehr am Anfang eines längeren Prozesses. Die Grundlagen für ein leistungsfähiges Innovationssystem sind gelegt, die Akteure gut vernetzt und der Blick geht zunehmend über nationale Grenzen hinaus. Der künftige Erfolg hängt davon ab, wie konsequent gemeinsame Stärken ausgebaut und funktionale Allianzen geschmiedet werden.
Nicht die großen Masterpläne, sondern flexible, von den Beteiligten selbst getragene Projekte versprechen nachhaltigen Erfolg. Denn Kooperation offenbart sich dort am fruchtbarsten, wo Vertrauen, Eigeninitiative und gemeinsames Zielbewusstsein dominieren.
Im Vierländereck erweist sich Innovationskraft nicht als Selbstzweck. Sie wird zum Wegbereiter eines dynamischen Standorts, der auch internationale Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wenn die Verantwortlichen bestehende Strukturen gezielt miteinander verweben, ergeben sich daraus neue branchenspezifische Cluster, die Schlagkraft für eine ganze Generation von Wissenschaftlern entfalten.
Centrope zeigt eindrucksvoll, wie die Vielfalt und der Ideenreichtum Europas Hand in Hand gehen können. Was heute als strategische Allianz gilt, könnte schon morgen der Nukleus wegweisender Entwicklungen sein – zum Nutzen der gesamten Region und darüber hinaus.
